Von der Evangelischen Mütterschule zum Elisabeth-Käsemann-Haus

 

Elisabeth-Käsemann-Haus, Franzisstraße 16

 

Elisabeth Käsemann wurde am 11. Mai 1947 in Gelsenkirchen geboren. Durch die spätere Lehrtätigkeit des Vaters als Evangelischer Theologieprofessor wuchs sie in Mainz, Göttingen und Tübingen auf. Nach einem sechsmonatigen Aufenthalt in Oxford begann sie 1966 mit dem Politologie- und Soziologiestudium an der Freien Universität Berlin.

 

Das Portal des Elisabeth-Käsemann-Hauses (Quelle: Brigitte Ondrusch)

Aus ihrem politischen Engagement heraus entschied sie sich schon bald zu einem Auslandspraktikum in Bolivien. Ihr ausgeprägtes Gerechtigkeitsdenken, die Auseinandersetzungen um ein gerechtes Gesellschaftssystem, ihre Kontakte zur außerparlamentarischen Opposition um Rudi Dutschke, ihr Wunsch nach  sinnvoller Unterstützung der Not Leidenden dort, ihre Liebe zum Land und den Menschen -, all das mögen Gründe gewesen sein, weshalb sie nach Argentinien ging und dort blieb.  Bis zu ihrem Tod lebte sie in Buenos Aires und leistete in den Slums der Hauptstadt Sozialarbeit für Kranke und Bedürftige, beteiligte sich an Alphabetisierungsprogrammen für die SlumbewohnerInnen und engagierte sich in der sozialistischen Arbeiterbewegung.

 

Mit der Machtübernahme des Militärs am 24. April 1976 erhielten Streitkräfte und Polizei Sonderbefugnisse, die die Freiheitsrechte der Bevölkerung massiv einschränkten. Es kam zu Massenverhaftungen, Gefangene wurden gefoltert und unerwünschte Personen ließ man 'verschwinden'. Zu den offenen militärischen Aktionen gegen stark geschwächte Guerillaorganisationen kamen verdeckte Aktionen gegen Einzelne, wobei zunehmend kein Unterschied mehr zwischen Oppositionellen und Unbeteiligten gemacht wurde.

 

Elisabeth Käsemann, die sich einer oppositionellen Gruppe angeschlossen hatte, um politisch bedrohten Argentiniern zur Flucht zu verhelfen, geriet so selbst ins Visier der Machthaber.

 

Elisabeth Käsemann (Quelle: privat)

Am 24. Mai 1977 wurde sie erschossen. Während sie nach offiziellen Angaben als terroristische Verschwörerin bei einem Gefecht ums Leben gekommen sein sollte, konnte aufgrund von Zeugenaussagen und einer Obduktion bewiesen werden, dass sie entführt, gefoltert und durch Schüsse in den Rücken ermordet wurde.

 

Löste das damalige Verhalten der Bundesregierung und der Außenpolitiker bei der Aufklärung dieses Verbrechens heftige Kritik aus, so hat im Juli 2001 erstmals ein deutsches Gericht im 'Fall‘ Elisabeth Käsemanns Strafantrag gegen den früheren argentinischen Junta-General Carlos G. Suarez Mason gestellt und drängt die Bundesregierung heute auf dessen Strafverfolgung.

 

Im Elisabeth-Käsemann-Haus, der Evangelischen Familienbildungsstätte in Gelsenkirchen, können Sie sich mit einem Filmbericht ausführlicher über ihre Lebensgeschichte informieren.

 

Elisabeth-Käsemann-Haus, Franzisstraße 16, 45891 Gelsenkirchen, Telefon (0209) 7 10 41.

 

Quelle: Barbi Kohlhage

 

Aus: Von Hexen, Engeln und anderen Kämpferinnen - Stadtrundgänge aus Frauensicht in Gelsenkirchen. Hrsg.: Frauen- und Mädchenforum der Lokalen aGEnda 21 in Kooperation mit dem Frauenbüro der Stadt Gelsenkirchen und dem aGEnda 21-Büro. Gelsenkirchen 2001.

 

Textauszug, redaktionell bearbeitet durch das aGEnda 21-Büro

 

Das Lesebuch zur Frauengeschichte in Gelsenkirchen ist im Gelsenkirchener Buchhandel und im aGEnda 21-Büro (Telefon 0209 / 147 91 30) erhältlich.