Der Katholische Deutsche Frauenbund

 

Sparkassenstraße 6

 

"Für die Unbemittelten ist die Frauenfrage vorwiegend eine Brotfrage, für die Bemittelten eine Bildungsfrage, für beide eine Rechtsfrage."

 

Mit diesen Worten beschreibt Elisabeth Gnauck-Kühne (1850-1917), Sozialwissenschaftlerin, Mitbegründerin des Evangelischen Frauenbundes und des Katholischen Deutschen Frauenbundes, die Notlage der Arbeiterinnen und die Rechtsungleichheit zu Ungunsten aller Frauen im 19. Jahrhundert.

 

Elisabeth Nettebeck (1958), Vorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbundes, beim Empfang im Essener Rathaus nach der feierlichen Einsetzung des 1. Bischofs von Essen, Exzellenz Dr. Franz Hengstbach mit Stadtdirektor Meese (links) und Dechant Dördelmann, 1958 (Quelle: privat)

Die bürgerlichen Rechte wie Zulassung der Frauen zu Schulbildung, Studium,  akademischen Berufen und Ämtern und die Ausübung des Wahlrechts erscheinen uns heute fast als selbstverständliche Errungenschaften der demokratischen Gesellschaft. Noch um die Jahrhundertwende war es den Frauen verboten, Mitglied eines Vereins zu sein. Das Reichsvereinsgesetz von 1908 beendete diese Art der politischen Entmündigung der Frauen. Es stellt fest, dass es nicht zeitgemäß sein würde, "die gesetzlichen Bestimmungen aufrecht zu erhalten, die den Frauen die Möglichkeit verschließen, ihre Wünsche und Interessen auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens in Vereinen und Versammlungen zur Geltung zu bringen ..."

 

Für die Frauenbewegung bedeutete das Reichsvereinsgesetz einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zu gleichen staatsbürgerlichen Rechten.

 

Elisabeth Gnauck-Kühne stellte 1908 fest: "Das neue Reichsgesetz, welches am 15. Mai 1908 in Kraft tritt, enthält nichts mehr und weniger als die politische Mündigkeitserklärung der Frau."

 

Vor Gründung einer eigenständigen Organisation schlossen sich 1885 auf Anregung von Pauline Herber katholische Lehrerinnen in einem eigenen Berufsverband zusammen. Es war die erste Laienorganisation, die von katholischen Frauen geführt wurde. Im August 1903 fand während des Kölner Katholikentages eine Zusammenkunft von zweiundfünfzig Vertretern und Vertreterinnen des deutschen Katholizismus statt. Obwohl Volksverein und Caritas vehement den Anschluß an ihre Organisation forderten, haben die katholischen Frauen ihre Eigenständigkeit bis heute behalten.

Nach Abstimmung mit dem Episkopat konstituiert sich am 16. November 1903 der Vorstand. Erste Vorsitzende wurde Emilie Hopmann, zweite Vorsitzende Minna Bachem-Sieger. Dem Vorstand gehörten weiterhin Jeanne Trimborn und Agnes Neuhaus an. Elisabeth Gnauck-Kühne übte den stärksten programmatischen Einluß auf den Frauenbund aus. Hedwig Dransfeld übernahm 1912 den Vorsitz. Albertine Badenberg, Dr. Gerta Krabbel, Antonie Hopmann, Maria Heßberg waren weitere herausragende Frauen.

 

Helene Weber verdankte der Frauenbund viele praktische Initiativen im sozialen und im Bildungsbereich. Seit 1916 leitete sie die Soziale Frauenschule in Köln, später in Aachen. Das Helene-Weber-Haus in Gelsenkirchen-Buer ist ihrem Andenken verpflichtet.

 

Weder in der Gründungsversammlung 1903 noch in Generalversammlung ein Jahr später wurde ausdrücklich die Politik als Aufgabe des konfessionellen Frauenbundes genannt. Die Betätigungsfelder sahen die Mitglieder vielmehr in den Bereichen der christlichen Mädchenerziehung und des Mädchenschutzes, der allgemeinen Fürsorge, der Gefangenenfürsorge und der Bahnhofsmission. Vor allem tauchte immer wieder die Forderung nach politischer Bildung der christlichen Frau auf, und hier ganz besonders die Aus- und Weiterbildung der Hausfrau.

 

Der Katholische Deutsche Frauenbund definierte sich als Organisation der Katholischen Frauenbewegung. "Er gehört zu den nichtkirchlichen Vereinen, die aber in Weltanschauungsfragen sich innerhalb ihres Bekenntnisses an der kirchlichen Lehre orientieren wollen, weil sie nach dieser Richtung in der Pflicht ihres Gewissens und ihrer Überzeugung stehen." Helene Weber formulierte 1929: "Für uns Frauen muß Politik Kultur werden"  Frauen, die in den folgenden Jahren von der katholischen Frauenbewegung in die Politik gegangen sind, zeichneten sich durch ihr großes Engagement und hohes Ethos aus, mit dem die Politikerinnen die mit dem Mandant verbundenen Verpflichtungen erfüllt haben.

 

Zweigverein Gelsenkirchen

 

Nach der Konstituierung des Frauenbundes gründen Frauen katholischen Glaubens in ganz Deutschland Zweigvereine. Bereits 1912 zählt der Frauenbund fünfzigtausend Mitglieder in einhundertzwölf Zweigvereinen. Die Botschaft des sozialen Handelns aus christlicher Nächstenliebe sprachen auch im Ruhrgebiet Frauen aus dem Kreis des katholischen Bürgertums an. 1916 konstituierte sich der Zweigverein in Gelsenkirchen. Spätestens ab Anfang der zwanziger Jahre gehörte Elisabeth Nettebeck, die als Kulturpolitikerin der Christlich- Demokratischen Union in die Geschichte der Stadt Gelsenkirchen eingehen sollte, dem Katholischen Deutschen Frauenbund an; ab 1923 arbeitete sie als Sekretärin im Zweigverein Gelsenkirchen.

 

Mündliche Überlieferungen berichten von der Antipathie der Familie Nettebeck gegen die Partei der Nationalsozialisten. Als Elisabeth Nettebeck 1933 die Führung der NS-Frauenschaft angetragen wurde, soll sie rigoros abgelehnt haben. Der faschistische Antifeminismus der NSDAP diffamierte intellektuelle und modern denkende Frauen als entartete. Unter dem Schlagwort Doppelverdienertum wurden Frauen aus dem öffentlichen Dienst gedrängt und Frauenorganisationen wie der Katholische Deutsche Frauenbund verboten.

 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konstituierte sich der Frauenbund in Gelsenkirchen neu. Vorsitzende des Vorstandes war Elisabeth Hucke. In den ersten Jahren hielten die Frauen ihre Sitzung in Privatwohnungen ab. Im Jahre 1955 übernahm Elisabeth Nettebeck den Vorsitz und am 9. Februar konnte die Vorstandsmitglieder die erste Sitzung in dem eigenen Büro in der Sparkassenkstraße Nr. 6 einberufen. Der Vorstand der Kreisgeschäftsstelle der Christlich-Demokratischen Union hatten dem KDFB einen eigenen Raum zur Verfügung gestellt. Im Mittelpunkt der bildungspolitischen Ziele des Gelsenkirchener Zweigvereins standen die aktive Beteiligung der Frauen am politischen Leben, und hier vor allem die Kontaktaufnahme zu den Mandatsträgerinnen der Kommunalpolitik.

 

Quelle: Marlies Mrotzek

 

Aus: Von Hexen, Engeln und anderen Kämpferinnen - Stadtrundgänge aus Frauensicht in Gelsenkirchen. Hrsg.: Frauen- und Mädchenforum der Lokalen aGEnda 21 in Kooperation mit dem Frauenbüro der Stadt Gelsenkirchen und dem aGEnda 21-Büro. Gelsenkirchen 2001.

 

Textauszug, redaktionell bearbeitet durch das aGEnda 21-Büro

 

Das Lesebuch zur Frauengeschichte in Gelsenkirchen ist im Gelsenkirchener Buchhandel und im aGEnda 21-Büro (Telefon 0209 / 147 91 30) erhältlich.