Auf den Spuren der Opfer - frühneuzeitliche Hexenverfolgung in der Freiheit Horst

 

Schloss Horst

 

Im Unterschied zu Recklinghausen, daß eine Hochburg der Hexenverfolgung repräsentierte, sind in Horst zwischen 1609 und 1613 lediglich 7 Hexenprozesse nachweisbar. Jedoch erhöhte sich die Zahl der an den Prozessen beteiligten Frauen und Männer im Verlaufe der Prozessführung auf insgesamt 14.

 

Für Zivil- und Kriminalsachen waren die Gerichte in Recklinghausen und Dorsten zuständig. Den Burgbezirken Horst und Westerholt kam jedoch eine Ausnahmestellung zu, da die Bewohner der inneren und weiteren Burgbezirke der Gerichtsbarkeit der jeweiligen Besitzer des Schlosses unterstanden. Anfang des 17. Jahrhunderts war das in Horst der Burg- und Gerichtsherr Dietrich von der Recke. Gerichtet wurde nach der Strafprozessordnung, die "Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V.", kurz "Carolina" (1532) genannt. Der Verlauf der Prozesse und die Namen der Beteiligten sind für Horst aus den überlieferten Gerichtsprotokollen zu den Hexenprozessen bekannt.. Sie geben Zeugnis von den Motiven der Beteiligten und sie dokumentieren die normative Rechtsordnung, die Hexenwahn und Verfolgungsbereitschaft schürten. In einem dieser Prozesse waren Trina Broiß und Elsa Lindemann involviert.

 

Am 21. Februar 1609 erschien Trina Broiß vor dem Richter von Horst Henrichen von der Bruggen, um Elsa Lindemann aus Horst der Zauberei anzuklagen. Als "Zauberische" habe jene ihren Bruder Jörgen Broiß und drei andere Personen "behext" und damit deren Tod verschuldet. Auf die Begründung ihrer Anklage hin befragt, antwortete Trina Broiß, dass Else Lindemann bereits vor einem Jahr als "Zauberische" gescholten wurde und auch schon Elsas Mutter einen Mann "bezaubert" habe. Im weiteren Prozessverlauf verhörte man auch die Söhne der Angeklagten und bot ihnen einen Vergleich an. Jedoch lehnten diese das Angebot ab und unterwarfen sich freiwillig der Wasserprobe. Da ihre Mutter als eine "Zauberische" denunziert worden sei, könnten auch sie keinen Frieden haben. Diese Entscheidung der Lindemannssöhne war  nicht die Ausnahme, denn oft meldeten sich die nächsten Familienangehörigen der Angeklagten freiwillig zu den Wasserproben. Sie hofften, auf diese Weise weitergehenden Verdächtigungen zu entgehen. Den Probanten wurde die rechte Hand an den linken Fuß und umgekehrt die linke Hand an den rechten Fuß gebunden und dann ließ man sie an Stricken festgemacht auf ein Gewässer. In Horst war dies der ehemalige Mühlenkolk. "Schwammen" die Personen auf dem Wasser, galt dies als Schuldbeweis dafür, ein Zauberer oder eine Zauberin zu sein. Gingen sie unter, hielt man sie für unschuldig. Jedoch galt die Wasserprobe nicht als endgültiger Schuldbeweis, sondern die Gerichtsordnung verlangte auf jeden Fall das Schuldeingeständnis der Verdächtigen. Da nach der "gütlichen" Befragung in der Regel niemand ein solches abgab, schritt das Gericht zur "peinlichen Befragung". Die "Befragung" unter der Folter dauerte solange und wurde so oft wiederholt, bis die Opfer die ihnen zur Last gelegten angeblichen Untaten zugaben.

 

Auch Elsa Lindemann bestritt nach mehrmaliger und eingehender Befragung eine "Zauberische" zu sein. Am 15. Juni schritt das Gericht zur Folter. Trine Broiß gab "gutwillig ohne peinliche Fragen" alles zu, was das Gericht ihr vorlas. Ebenso wollte Elsa Lindemann „gütlich“ ohne die Anwendung der Folter bekennen, dass der Satan zu ihr ins Bett gekommen sei und ihr Hilfe versprochen habe, wenn sie sich ihm ergebe. Danach habe sie sich mit dem Teufel verbunden und sei an der Gecksheide in einer Kuhle getauft worden. Wie Trine Broiß, so habe auch sie "Gott, Vater, Sohn und heiligen Geist" abgeschworen und auch mit ihr habe der Teufel, der sich Beelzebub nannte, getanzt. Des weiteren gab sie zu, durch die Anwendung von Schadenzauber Pferde durch Berühren getötet zu haben.

 

Drei Tage später schritt die Obrigkeit zur Urteilsverkündung. Im Namen des abwesenden Gerichtsherrn Dietrich von der Recke war Fransziskus Moll erschienen.

 

Elsa Lindemann und Trina Broiß sollten wegen Zauberei und dem daraus resultierenden Schaden "mit dem Feuer vom Leben zum Tode" bestraft werden. Das Gericht machte von seinem Recht Gebrauch und veränderte die Urteile. Trina Broiß wurden mit dem Schwert enthauptet und danach begraben, Elsa Lindemann wurde durch den Strick getötet, ihr Körper verbrannt.

 

Das Phänomen der Hexenverfolgung und der ansteigenden und abflauenden Verfolgungswellen wurde von der modernen sozialgeschichtlich orientierten Hexenforschung zunächst unter dem Aspekt der obrigkeitlichen Gerichtsbarkeit des 16. und 17. Jahrhunderts und deren Disziplinierungsstreben untersucht. Seit dem Ende der achtziger Jahre bestimmt eine neue Erkenntnis die Diskussion. Nur dort waren Hexenverfolgungen aufgetaucht, "wo der Verfolgungswille von unten mit der Verfolgungsbereitschaft von oben zusammentraf". Es wird nach den Faktoren gefragt, die die Bereitschaft, zu denunzieren, förderten oder hemmten. Damit wird deutlich gemacht, dass die Verankerung des Hexenswahns in der dörflichen und städtischen Gesellschaft großen Einfluss auf den Alltag der Frauen und auf weibliche Lebenswelten generell hatte.

Hier nicht den Kupferstich mit der Wasserburg verwenden. Es handelt sich bei dieser Abbildung um eine Burg im heutigen limburgischen Städtchen Horst in Holland, nahe bei Venlo.

 

Quelle: Marlies Mrotzek

 

Aus: Von Hexen, Engeln und anderen Kämpferinnen - Stadtrundgänge aus Frauensicht in Gelsenkirchen. Hrsg.: Frauen- und Mädchenforum der Lokalen aGEnda 21 in Kooperation mit dem Frauenbüro der Stadt Gelsenkirchen und dem aGEnda 21-Büro. Gelsenkirchen 2001.

 

Textauszug, redaktionell bearbeitet durch das aGEnda 21-Büro

 

Das Lesebuch zur Frauengeschichte in Gelsenkirchen ist im Gelsenkirchener Buchhandel und im aGEnda 21-Büro (Telefon 0209 / 147 91 30) erhältlich.